Schlagbrücken
- Häuser und Familien aus Schlagbrücken – ein Teil der Gemeinde Borken.
Der gesamte Ort Schlagbrücken existiert heute nicht mehr. In den Jahren 1939-41 wurde die Ortschaft, die teilweise zu Borken gehörte, wegen der Erweiterung des Krupp´schen Schließplatzes aufgelöst und die Bewohner umgesiedelt. Heute verweist nur noch die Straße „Schlagbrückener Weg“ in Meppen auf diese ehemalige Kolonie östlich von Borken.
Bereits 1807 wurde u.a. aus dem Gebiet der Borkener Mark (Gemeinschaftsländereien der Borkener Bauern) drei Siedlungsplätze für Kolonisten an dem Bach „Gräfte“, am Weg von Meppen nach Sögel (an der heutigen sog. „Panzerstraße“, WTD 91), ausgewiesen.
Der Gräfte-Bach war die Grenze (Slag) zwischen dem damaligen „Amt Meppen“ und dem „Amt Hümmling“ (spätere Landkreise). An dieser Stelle befand sich eine Furt zur Durchquerung des Baches bzw. später eine Brücke (Brügge). Daher kommt der ursprüngliche Ortsname „Slagbrügge“ – später „Schlagbrücke“ bzw. letztendlich „Schlagbrücken“.
Durch diese Teilung (Gräfte-Bach) mitten durch den Ort gehörten die Siedler auf der nördlichen Hümmlinger Seite amtlich zur Gemeinde Stavern und die Siedler auf der südlichen Meppener Seite zur Gemeinde Borken. Auf der Südseite des Baches Gräfte befanden sich die zwei Heuermannsstellen der Familien Többen und Lammers und der Bauernhof Schlömer. Auf der nördlichen Seite lagen die drei Höfe der Familien Lammers/Kampling und Albers/Thyen sowie Rohling/Wulf.
Teilausschnitte aus dem Statistischen Handbuch für das Königreich Hannover - Abschnitt für das Amt Meppen aus dem Jahr 1848. Der Bauernschaft Borken ist der Kolonie Schlagbrücken amtlich zugeordnet (siehe 1.) (Quelle: Archiv ehem. Bürgermeister Koopmann)
Teilausschnitt aus dem Statistischen Handbuch für das Königreich Hannover - Abschnitt für das Amt Hümmling (1848). Schlagbrücken ist als Kolonie aufgeführt, zugehörig der Bauernschaft Klein Stavern (siehe 11.) (Quelle: Archiv ehem. Bürgermeister Koopmann)
Ausschnitt aus dem Lageplan des Schießplatzes Meppen der Fried. Krupp AG.
Längsprofil der Schusslinie in Süd-/Nordlage (Quelle: Stadtmuseum Meppen)
Die (roten) dicken Linien markieren die damaligen Grenzen der Markgemeinden auf dem Schießplatz. Der Großteil der Kolonie Schlagbrücken lag rechts auf dem Gebiet der Gemeinde Stavern, links liegen die drei Schlagbrücker-Siedlungsplätze, die zur Gemeinde Borken gehörten. Oberhalb des Schießplatzes befinden sich die Dörfer Borken und Hemsen.
Ab 1835 gehörten alle Siedler aus Schlagbrücken (beider Seiten) kirchlich zur Propstei St. Vitus Meppen. Mit dem Neubau der Kapelle in Hemsen in den Jahren 1921/22 wurden auch die Einwohner von Schlagbrücken nach Hemsen umgepfarrt. Sie bildeten fortan gemeinsam mit Borken, Hemsen, Hüntel und Holthausen eine Kapellengemeinde (Kirchspiel).
Die Familie Schlömer aus Schlagbrücken (siehe Borken Nr. 10) stiftete damals das Kirchenfenster „St. Hermann“ (vgl. Kirchenchronik Hemsen). Zur Kirchenvorstandswahl der Kapellengemeinde Hemsen im Jahre 1923 kandidierte der Kolonist Heinrich Schlömer aus Schlagbrücken für die Gemeinde Borken (siehe Platz 12, Wählerliste, S.xx).
Die Zeitzeugin Maria Koopmann, geb. Leffers (gebürtig aus Hemsen und Ehefrau des ehemaligen Bürgermeisters Koopmann aus Borken), erinnert sich noch gut an ihre Kindheit; wie damals sonntags die Schlagbrücker Familien mit Kutschen zum Gottesdienst nach Hemsen kamen. Die Pferdegespanne wurden während der heiligen Messe bei den Hemsener Bauern untergestellt. Im Jahre 1940 empfingen noch Kinder aus Schlagbrücken in Hemsen die Erstkommunion.
Am 28. April 1940 gingen 18 Kinder zum 1. Mal zum Tisch des Herrn
(Foto: Kirchenchronik Hemsen)
aus Schlagbrücken: Heinrich Molleker, Wilhelm Küwen
aus Borken: Josef Wiggelinghoff, Hermann Foppen
aus Hemsen: Wilhelm Bruns, Josef Klaas, Paul Müller (später Borken), Margret Anneken,
Katharina Lake, Maria Leffers (heute Koopmann, Borken), Leni Töpker, Angela Schwenen
aus Holthausen: Bernhard Klaas, Hermann Baalmann, Margret Ottens
aus Hüntel: Frieda Ottens, Adele Wolters, Maria Wessels
Die Siedlung Schlagbrücken war der Schulgemeinde Hemsen zugeordnet und alle Kinder des Ortes (beider Seiten) gingen in Hemsen zur Schule. Zur Schulentlassung an Ostern 1940 gehörten auch Kinder aus Schlagbrücken dem Abschlussjahrgang aus Hemsen an.
Die Zeitzeugin Maria Koopmann (Jahrgang 1932) berichtet, dass ihre Mitschüler aus Schlagbrücken während der ersten Kriegsjahre die Schule aufgrund der Umsiedlung verlassen mussten. In der Hemsener Schulchronik werden zahlreiche Schüler aus Schlagbrücken bei besonderen Ereignissen immer wieder erwähnt. In der Statistik für das Schuljahr 1940-41 steht der Vermerk: „ … 4 Kinder zogen fort.“
Schulentlassung Ostern 1940 in Hemsen (Foto: Kirchenchronik Hemsen)
obere Reihe (von links):
Alfons Rühlmann, Heinrich Neesen, Josef Ewers, Katharina Brüning, Angela Voß, Bernhard Pöker,
Hermann Schlömer, Wilhelm Schwenen
untere Reihe (von links):
Hermann Baalmann, Maria Foppen (Borken), Regina Herbers, Hermann Küwen (Schlagbrücken)
- Schulweg Hemsen - Schlagbrücken
Der Schulweg von Hemsen nach Schlagbrücken führte über die heutige „Sandbreestraße“, die in ihrem damaligen Verlauf ein durchgehender Weg mit der heutigen Straße „Zum Loh“ im östlichen Teil von Hemsen war. Von dort aus (ehem. Wache Hemsen) verlief der Weg quer über den Schießplatz (heute WTD 91) nach Schlagbrücken. Während der Schießübungen wurde der Weg aus Sicherheitsgründen gesperrt. Dazu erschien zum ersten Schießen im Jahre 1877 nachfolgende Anzeige im Kath. Volksboten.
Teilausschnitt der Anzeige aus dem Kath. Volksboten im Jahre 1877. Unter Punkt 3) ist der Schulweg nach Hemsen genannt. (Quelle: Die Geschichte des Krupp´schen Schießplatzes, S. 85 – Hans Altmeppen-Többen)
- Weg Borken - Schlagbrücken
Innerhalb des Schießplatzgeländes ging der Schulweg nach Schlagbrücken in die Gemarkung Borken über. In alten historischen Karten ist zu sehen, dass von hier ein weiterer Weg abzweigte, der direkt nach Borken führte und dort in die heutige „Borkener Straße“ (damals Schwarzer Weg genannt) überging. Dieser Weg war früher vermutlich der Zugang für die Borkener Bauern zu ihren Ländereien auf dem Gebiet des Schießplatzes.
Im Frühjahr 1920 wurde ein Teil des Schulweges in der Gemarkung Borken aus Versehen bei Kultivierungsarbeiten auf dem Schießplatz mit untergepflügt. Der Schießplatzvorsteher Major Wesener entschuldigte sich schriftlich bei dem Gemeindevorsteher von Borken (vgl. Borken 861 – 2011, S. 157).
Mit der Zusage auf sofortige Wiederherstellung des Weges endete das Schreiben mit der Versicherung des Versuchsplatzleiters, dass es ihm ferngelegen habe, gegen den Vertrag mit der Gemeinde Borken zu verstoßen. „Ich will vielmehr das gute Einvernehmen und die gute Nachbarschaft nach wie vor aufrechterhalten" schrieb Major Wesener.
- Umsiedlung 1939/41 – Erweiterung des Schließplatzes
Bei Schießübungen der Fa. Krupp kam es immer wieder vor, dass Geschosse bzw. Querschläger im Bereich von Schlagbrücken einschlugen und die Sicherheit der Höfe und deren Einwohner gefährdeten. Während des Ersten Weltkrieges gab es bereits erste Pläne, den Krupp´schen Schießplatz zu erweitern und die benötigten Flächen u.a. aus Borken und Schlagbrücken zu enteignen. Der verlorene Krieg machte zunächst die Pläne zunichte.
Im Juni 1936 besuchte Adolf Hilter den Schießplatz in Meppen. Nach dem Besuch war die Erweiterung des Schießgeländes endgültig beschlossen worden. Unter dem Druck der Enteignung wurden die Einwohner Schlagbrückens ab 1939 umgesiedelt und die Höfe anschließend abgerissen.
Die Familie Schlömer kam nach Loher Feld bei Haselünne, Familie Thyen nach Listrup bei Emsbüren und die Familie Kampling nach Bokern im Kreis Vechta.
Es lebten noch weitere Familien auf den Höfen in Schlagbrücken, die ebenfalls von der Umsiedlung betroffen waren, Familie Küwen kam nach Apeldorn, Familie Gilbers nach Geeste. Zuvor wurde bereits 1932/33 die Familie Rohling/Wulf nach Rastdorf umgesiedelt und die Familie Ostermann nach Vormeppen.
Ab Januar 1939 wurden neue Gebäude für den Gutsbetrieb „Cuntzhof“ errichtet, der bereits seit Anfang der 1920er Jahre bestand. Anschließend standen zur Bewirtschaftung rund 600 ha zur Verfügung. Darin waren auch die Flächen der drei umgesiedelten Höfe in Schlagbrücken enthalten.
- Borkener Flächen zur Erweiterung
Als Bürgermeister und Vorsteher der Markgemeinde von Borken verweigerte Bernhard Bruns damals die Unterschrift unter den neuen Vertrag über die Borkener Flächen auf dem Schießplatzgelände. Als Argument soll Bruns seinerzeit angeführt haben, dass Borkener Männer, die von dieser Entscheidung betroffen waren, noch als Soldaten an der Front standen. Man könne die Angelegenheit auch nach Ende des Krieges regeln.
Weiterhin verwies er darauf, dass es gegen die Nutzung der Borkener Flächen keine Einwände gäbe. So kam es nur zur Besitzeinweisung an die Fa. Krupp. Trotz der Androhung von Zwangsmaßnahmen blieb Bruns standhaft bei seiner Haltung. Aufgrund fehlender Enteignungsbeschlüsse konnte er den Markbesitz retten.
In den Nachkriegsjahren kam es zum Austausch von Kulturlandflächen östlich der Panzerstraße mit der Markgemeinde Borken. Wobei die seinerzeit enteigneten Hofflächen auf Schlagbrücken ebenfalls zurückgetauscht wurden und das Areal heute wieder im Besitz der Markgemeinde Borken ist.